Ist elementary-OS am Ende?

Um elementary OS sieht es nicht gut aus. Grund dafür ist ein Streit der beiden Gründer und ehemaligen Freunde Daniel Foré und Cassidy James Blaede, welcher mittlerweile per Anwälte geführt wird.

Genauer gesagt geht es um das Geld. Die Firma hinter elementary OS hat einfach mehr Ausgaben als Einnahmen, weshalb Cassidy nun einen neuen Job angenommen hat und deshalb für das Projekt einfach keine Zeit (und Lust) mehr hat.
Daniel wollte nun die Firma behalten und Cassidy mit 26.000$ auszahlen, dieser wollte jedoch eher 150.000$. Den Vorschlag von Daniel, das er dann die Firma an Cassidy übergibt und er von ihm dafür eben 26.000$ will, schlug er aber ebenfalls aus.

Hört sich erst einmal nicht besonders dramatisch an, schließlich streiten sich Firmeninhaber öfters. In diesem Fall ist es aber leider etwas anders:

  • Elementary Inc., die Firma hinter elementary OS, hat nur sehr wenige Mitarbeiter. Im Prinzip handelt es sich um Daniel und Cassidy und ein paar wenige Externe.
  • Die Beiden waren Freunde und kommunizieren nun eben nun per Anwalt. Die Freundschaft ist damit endgültig zerbrochen, und ein Weg zurück auf rein geschäftlicher Basis ist damit ziemlich ausgeschlossen.

Meine Meinung zu elementary OS

Ich war eine zeit lang von der Distribution recht angetan, genauer gesagt mit der Version 5. Nach mehreren Wochen mit Version 6 bin ich dann aber zu Fedora gewechselt (was ich übrigens seitdem nie bereut habe). Gründe dafür gibt es mehrere:

  • elementary OS sah sich selbst als Einsteiger-freundlich, war es aber in meinen Augen nie. Ohne Linux-Kenntnisse kam man immer wieder an einen Punkt, an dem man als Einsteiger nicht weiter kam, weil das System mit Absicht limitiert ist.
  • elementary OS beruht auf Ubuntu, versteckt dies vor den Nutzern aber. Und auch von der Entwicklung entfernte es sich immer mehr von Ubuntu. Eigentlich wäre es durchaus sinnvoller, elementary OS auf Debian basieren zu lassen (auf welchem ja auch Ubuntu basiert), aber dafür fehlt einfach die Man-Power.
  • Veraltete Software: elementary OS 5 basierte auf Ubuntu 18.04 LTS eben aus dem Jahr 2018. Aber mit dem Release der neuen LTS-Version 20.04 wurde elementary OS nicht aktualisiert, vielmehr dauerte dies fast 1.5 Jahre, mit der Folge, das das grundlegende Betriebssystem einfach veraltet ist.
  • Mangelnde Unterstützung für Drittsoftware: Das größte no-go für Einsteiger. Das Software-Center besteht nur aus einer Handvoll eigener Programme, Übliche Programme wie Chrome, Firefox, LibreOffice, Gimp usw. fehlen. Erst wenn man flathub als Software-Quelle mit einbindet, stehen diese über dem Software-Center zur Verfügung.
    Von vielen Nutzern wird dies schon lange bemängelt, aber die Entwickler stellen sich quer. Sie wollen ihrer Sichtweise nach einen Unterschied zwischen eigenen und fremden Programmen machen; darum sind Fremd-Programme über das Software-Center anfangs nicht installierbar.
    Für Linux-User kein Problem, da über dem Terminal Befehle wie apt oder ppa’s von Ubuntu zur Verfügung stehen. Ohne Kommmandozeile sind jedoch viele Programme einfach nicht installierbar, da elementary OS nicht einmal nativ es grafisch erlaubt, deb-Pakete zu installieren.

Die Zukunft von elementary OS

Die Zukunft sieht leider nicht rosig aus:

  • zerstrittene Ex-Freunde als Inhaber
  • mangelnde Weiterentwicklung: elementary OS wurde hauptsächlich von Daniel und Cassidy entwickelt. Cassidy ist durch seinen neuen Job nun zeitlich (und wohl auch ideologisch) raus, es ist quasi noch ein Ein-Mann-Projekt.
  • mangelnde Wirtschaftlichkeit: Eine Hauptfinanzierung sollte der eigene App-Store werden. Da flathub demnächst ein eigenes Bezahlmodell anbietet, Dritt-Software bei elementary OS aber hauptsächlich über flathub installiert werden soll, ist dieses Geschäftsmodell wohl zum scheitern verurteilt.
    Den Vogel schossen die Entwickler aber durch die fehlende Upgrade-Möglichkeit ab: Bezahlte Software unter elmentary OS 5 war einfach weg, da eben kein Upgrade auf Version 6 möglich ist, sondern nur eine Neuinstallation übrig blieb.

Statement von Danielle Fore

Auf YouTube hat Danielle Fore nun Stellung zur aktuellen Lage genommen. Die Firma elementary Inc. besteht nun lediglich aus ihr. Sie möchte den Focus weg von der Firma hin zu der Community legen; Geldeingänge an elementary Inc. werden an Community-Projekte weiter gereicht.

Sie sieht ihre Rolle auch weniger darin, aus elementary OS ein ‚großes‘ Betriebssystem zu machen. Sondern viel mehr schwebt ihr vor, Ideengeber für andere Projekte wie z.B. Gnome zu sein.

Wie geht es mit der pantheon shell weiter?

Das ist in meinen Augen die entscheidende Frage. Auf elementary OS als Betriebssystem ist leicht verzichtbar, die damit mit entwickelte Pantheon-Shell finden aber viele Klasse, wie ich auch. Ich denke sogar, das fast alle elementary OS nur wegen der Pantheon Shell installiert haben.

Bei der Pantheon Shell handelt es sich um einen Desktiop, der Mac OS als Vorbild hatte, und um eigene Ideen erweitert wurde. Das ganze sehr sinnvoll und schön; in meinen Augen ist die Pantheon Shell der beste Linux-Desktop.

Das Gute: Es ist open source, und die Wahrscheinlichkeit, das die pantheon shell von anderen geforked und weiter entwickelt wird, ist nicht einmal so schlecht.
Ob jemand anderes aber schafft die Liebe, Details und User Experience so einzubringen wie Cassidy, wage ich zu bezweifeln.